Volkskrankheit Nr. 1 - Prokrastination (Aufschieberitis)
Jul 26, 2022Lesedauer ca. 5 Minuten
Auf unserem Schreibtisch tummeln sich wieder mal viel zu viele Dinge, die dringend sortiert werden müssten. In der Ecke stapelt sich das Leergut vom letzten Wochenende und ein paar Reparaturarbeiten am Haus wollten wir auch schon längst erledigt haben. Wir alle kennen solche oder ähnliche Situationen. Dinge, die wir vor uns herschieben und die durch längeres liegen lassen nur an Wichtigkeit gewinnen, wozu also die Eile? Macht doch jeder mal, oder?
Prokrastination, besser bekannt unter Aufschieberitis, ist keine Seltenheit, fast jede und jeder von uns ist betroffen. Wir Menschen neigen nun mal dazu, uns die Dinge herauszupicken, die wir gerne machen. Alles Andere muss eben warten. Ich bezeichne das als den "klassischen Aufschieber". Jemand, der einfach mal nicht alles so genau nimmt und ganz bewusst auch entscheidet in den Park zu gehen, um das schöne Wetter zu genießen. Wäsche bügeln, kann man auch wenn's regnet, soweit so gut, alles in Ordnung.
Anders sieht es aus, wenn wir Dinge vor uns herschieben, die gut für unser Leben, unsere Karriere oder sogar unser Überleben wichtig wären. Dinge, von denen wir wissen, dass wir sie irgendwann ohnehin tun müssen, weil es ansonsten (ernste) Konsequenzen für uns hat. Im privaten Bereich kann dies z.B. ein gesunder Lifestyle sein. Wir alle wissen, dass ein wenig Sport gesundheitsfördernd ist und so nehmen sich viele von uns zum Jahresende hin vor, im nächsten Jahr mehr für die Gesundheit zu tun. Weniger zu rauchen, weniger Alkohol zu trinken und vieles mehr. Bis es so weit ist, darf man sich aber noch einmal richtig austoben. Immerhin ist nächstes Jahr Schluss damit. Tolle Bullshit Story mit der wir uns von diesem selbst auferlegten Verbot befreien.
Ein mexikanisches Sprichwort besagt: Der Esel ist ein Gaul, der oft gesattelt, aber wenig geritten wird. Mit anderen Worten, was kümmert mich mein Geschwätz von gestern. Spätestens im März oder April des kommenden Jahres, sinken die Zahlen derer, die sich im Fitness-Studio anmelden. Allein dort angemeldet zu sein und den Beitrag zu bezahlen, reicht schon für viele zur Beruhigung des eigenen Gewissens aus. "Vielleicht geh ich ja doch noch mal hin und die paar Euro, machen es dann auch nicht mehr aus". Die Hoffnung stirbt eben doch zuletzt.
Eins sollten wir uns jedoch klarmachen: Weder privat noch beruflich, ist großer Erfolg ohne Handeln zu haben. Wer sich laufend vor herausfordernden und auch neuen Aufgaben drückt, der verlässt niemals seine eigens gesteckte Komfortzone. Noch schlimmer, man gewöhnt sich an diesen Zustand und wird zum sogenannten "Vermeidungsaufschier".
"Vermeider" gehen jeglichen Situationen aus dem Weg. Meistens aus Bequemlichkeit, Angst vor Fehlern, peinlichen Situationen, Angst zu versagen oder etwas falsch zu machen. Aber auch Naivität kann dazu verlocken, sich Themen nicht mit der notwendigen Aufmerksamkeit zu widmen. Doch dies passiert nicht nur einzelnen Personen, sondern auch Firmen, Staaten und sogar der gesamten Menschheit, wenn man mal daran denkt, dass wir doch schon lange den Planeten retten wollen.
Nehmen wir als weiteres Beispiel doch mal Europa, allen voran Deutschland. Man hatte sich jahrelang darauf verlassen, dass Russland ein guter Partner für Gaslieferungen sei. Man hat die Abhängigkeit akzeptiert und sich "Schönwetter" vorgegaukelt, weil man allen Ernstes daran geglaubt hat, dass dies auch so bleibt. Man hat Berater als Panikmacher vom Hof gejagt und sich beide Ohren zugehalten, wenn Stimmen davor gewarnt haben. Das Ergebnis kennen wir jetzt.
Ein weiteres Beispiel: Jahrelang wurde über Digitalisierung gesprochen. Der Ausbau von schnellem Internet, Schulen, die modernisiert werden müssen, etc. Als Covid-19 dann kam, war das Geschrei groß. Und was hat sich geändert? Fast gar nichts. Nach wie vor erinnern deutsche Schulen eher an ein Museum als an die Kapitalanlage unserer Zukunft. Nach wie vor sind viele Bereiche nicht mit schnellem Internet versorgt. Wenn ich durch Deutschland reise und ein Telefonat über mein Handy führe, bricht die Verbindung mehrfach ab. Der Schmerz ist einfach in diesem Bereich noch nicht groß genug.
Anders sieht es mit der Energieversorgung aus. Hier sind die Schmerzen deutlich spürbar. Regierungen, Firmen und auch Familien oder Einzelpersonen sind mittlerweile in der Metamorphose vom Vermeidungsaufschieber hin zum Erregungsaufschieber.
Erregungsaufschieber kommen nämlich erst in eine Handlung, wenn der Schmerz, das Verlangen oder äußere Umstände so groß sind, dass sie handeln müssen. Erst wenn Leib und Leben in Gefahr ist und es nicht mehr anders geht, erst dann laufen "Erreger" panisch los. Ihren wird klar, in welcher Situation sie sich befinden. Im Vertrieb wird dieser Umstand gerne ausgenutzt, um Mitarbeiter zu besonderen Höchstleistungen zu treiben. "Diamanten entstehen unter Druck", sagte mir einst ein Geschäftsführer eines DAX Konzerns. Und tatsächlich kann "Druck" ein Antrieb sein. Dinge werden dann mit gemeinsamer Kraftanstrengung umgesetzt. Oft in einem Tempo, dass man es kaum glauben mag. Je größer der Druck, umso mehr Dampf auf dem Kessel. Aber eben nicht mehr selbstbestimmt und frei.
Seit vielen Jahren lebe ich in meinem Unternehmen nach der Formel: Erledige die Dinge so lange Du willst und nicht erst, wenn Du musst. Dies verschafft mir einen Vorsprung auf bevorstehende Veränderungen und ich habe einen enormen Vorteil: ICH bin selbstbestimmt und frei!
Wer Dinge erst erledigt, wenn er muss, wird von äußeren Umständen, Personen, Firmen oder sogar Staaten dazu gezwungen zu handeln. Er muss dann auch unliebsame Entscheidungen treffen, die man unter anderen Umständen nicht treffen müsste. Denn zu spät zu handeln, hat immer seinen Preis. Dieser Preis ist um ein Vielfaches höher als der Preis, den ich bezahle, wenn ich agiere, anstatt zu reagieren. Wer schnell und früh entscheidet, läuft voraus, ist Leader. Und ja, er oder sie macht dabei auch Fehler, an denen man jedes Mal ein wenig wächst, aber niemals hinterherläuft. Wer also ein selbstbestimmtes und freies Leben führen will, der kommt nicht drum, herum täglich zu handeln. Wir müssen verstehen, dass es besser ist kleine Fehler zu begehen, die uns weder Gesundheit noch Leben oder Existenz kosten, um daraus zu lernen und besser zu werden. Dabei gilt es hauptsächlich eins zu bleiben: unabhängig und frei!
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Uwe M. Bothe ist Sales-Trainer, Experte für
Kundenkommunikation und Autor.
www.uwebothe.com
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